Sie sehnten sich nach Swing und Bigband-Sound, nach Lore im roten Badeanzug und dem Ende des ewigen Marschierens … Für die Freibadclique, alle Jahrgang 1929, hatte das verordnete Heldentum keinen Funken Bedeutung mehr. Voller Poesie, rauer Jungs-Atmosphäre und ungemein lebendig erinnert sich Oliver Storz an einen denkwürdigen Sommer am Ende des Kriegs.
«Irgendwie waren wir missraten. Wir schwänzten Schule und HJ-Dienst, nachts lauschten wir unter Wolldecken verborgen den Feindsendern, wo Benny Goodman, Duke Ellington und Glenn Miller spielten, kurz wir taugten nichts, jedenfalls nicht zu Helden … »
Sommer 1944, irgendwo im Schwäbischen: Knuffke, Bubu, Zungen-Kuss, Rosenacher («Hosenmacher») und der Erzähler sind fünfzehn, und ihnen steht der Sinn nach allem mehr als nach Nationalismus. Sie wollen wissen, wie das mit den Mädels ist, wie man die Penne hinter sich bringt und um die SS-Werber herumkommt. Aber sie ahnen, dass es, trotz ihrer gut trainierten Lässigkeit, ums Überleben geht. Als sie dann im April 45 doch noch zum Volkssturm müssen, sind sie bald nur noch zu dritt; Rosenacher geht verschütt, Zungen-Kuss hatte es zuvor auf einem Maisfeld am Westwall erwischt. Als die drei übrigen unter Lebensgefahr türmen, haben sie keine Ahnung, was ihnen zu Hause blüht, vielleicht ist die US-Army ja auch schon da…Und acht Wochen später, als die Schule wieder los geht und man wieder auf den alten Bänken sitzt, kommt der stotternde Studienrat herein und fragt: «Wo wa-waren wir stehen geblieben?»
Drei Passagen dieses Buchs waren als Vorabdrucke in der SZ am Wochenende zu lesen. (August 2006, Juli 2007, Dezember 2007).Die Westalliierten näherten sich Aachen. Die Russen standen vor Warschau. Bubu und ich sprangen vom Zehnmeterturm. Für Lore. Die war schon achtzehn und schaute uns trotzdem zu. Als wir aus dem Becken kletterten, gab sie Bubu einen Schmatz auf die Backe. Ich hätte auch einen gekriegt, aber in dem Moment kam ihr Leutnant von der Jagdfliegerschule, und mit dem bummelte sie nach hinten zu den Jasminbüschen. Ich sehe heute noch die Bewegung, mit der sie sich beim Weggehen den roten Badeanzug aus der Poritze zog. Es war ein Abschiedsbild. Fünfzehn war ein Scheißalter.
«Eine Jugend in Deutschland in leuchtend hellen Sätzen. Von der Straße, aus dem Freibad, an der Front. Brillant.»
Alexander Gorkow, Süddeutsche Zeitung
Ihm ist mit der «Freibadclique» ein eindrucksvolles Spätwerk geglückt, das zurückgeht an die
eigenen biografischen Wurzeln und diesen schwierigen Stoff souverän behandelt.
Andreas Heimann/dpa
Oliver Storz (*30. April 1929 in Mannheim als Sohn von Gerhard Storz, dem späteren Kultusminister) ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. In Schwäbisch Hall aufgewachsen, wurde er 1944, im Alter von 15 Jahren, in den Wehrdienst eingezogen und den Volksgrenadieren zugeteilt. Unverletzt überstand er das Kriegsende, absolvierte 1949 das Abitur und nahm in Tübingen ein Studium in Germanistik, Anglistik, Romanistik und Literatur auf. 1955 schloss er seine Studien mit Staatsexamen ab, blieb jedoch zunächst als Studienassessor an der Universität. Zwischen 1957 und 1959 war er für die Stuttgarter Zeitung als Feuilletonredakteur und Theaterkritiker tätig. In dieser Zeit entstanden auch Arbeiten für Hörfunk und verschiedene Zeitschriften. 1960 kam er wie viele andere «Stuttgarter» Talente mit Helmut Jedele zur Bavaria Atelier GmbH (heute: Bavaria Film) nach München. Dort arbeitete er bis 1974 als Verlagsautor, Redakteur und Produzent, zeitweise auch als Leiter der Dramaturgie. Für seine kritischen Fernsehspiele erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. 1974 erhielt er eine Professur für «Theorie des Theaters» an der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Oliver Storz arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Regisseur.
Filme der letzten Jahre: 1994 Drei Tage im April, 1998 Gegen Ende der Nacht, 2003 Im Schatten der Macht, 2006 Drei Schwestern made in Germany (TV), 2008 Die Frau, die im Wald verschwand (gedreht u.a. in Schwäbisch Hall).