Moderation: Joe Bauer
Antisemitismus hat viele Gesichter – und die meisten davon sind sehr freundlich. Doch auch die besten Manieren schützen nicht davor, Unsinn zu glauben. Wie zum Beispiel, dass alle Juden große Nasen hätten. Oder gut mit Geld umgehen könnten.
Der Schweizer Schriftsteller Thomas Meyer wurde nie verprügelt, weil er Jude ist. Aber viele Male verspottet, beleidigt und mit irrwitzigen Behauptungen konfrontiert. Wie zum Beispiel, dass seine Nase typisch jüdisch sei. Widersprach er, widersprach man ihm: Doch, doch, das sei eindeutig eine jüdische Nase. Genau so sähen die aus! Irgendwann hörte er auf zu diskutieren und begann, seine Erlebnisse mit dem alltäglichen Antisemitismus aufzuschreiben.
Entstanden ist ein kompakter Essay mit großer Wirkung. Die Alltäglichkeit und die oft erschreckende Direktheit von Meyers antisemitischen Erlebnissen nimmt uns als Leserinnen und Leser voll in die Pflicht. Und Meyer schont auch sich selbst nicht, denn er geht seinen eigenen Ressentiments in diesem bewegenden Text ebenso auf den Grund.
Meyers Essay ist ein radikal subjektiver Beitrag zur Antisemitismus-Debatte – ein dichtes Buch mit großer Sprengkraft.
Und seine Nase ist ganz normal, übrigens.
Thomas Meyer, 1974 in Zürich geboren ist Sohn eines christlichen Vaters und einer jüdischen Mutter. Das Jüdische spielt im facettenreichen Schaffen des Schweizers eine zentrale Rolle. Sein 2012 erschienener Debütroman „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ war für den Schweizer Buchpreis nominiert. Meyer hatte auch als Aktionskünstler auf sich aufmerksam gemacht. So pflasterte er in einem nicht genehmigten Streetart-Projekt die Stadt Zürich mit Fragen zu, wie: „Sind Sie ein guter Mensch? Seit wann?“ Mit Provokationen arbeitet Thomas Meyer auch in seiner neuen Publikation.
Eintritt frei, Kescher (Abstand) geht rum.