Referent: Jürgen Wagner, Politikwissenschaftler und geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Sie reden von «Sicherheit» und «Humanität». Anfang April 2009 will die NATO in Straßburg und Baden-Baden ihren 60.Geburtstag feiern. Sie beabsichtigt, ein neues strategisches Konzept zu verabschieden. Die NATO-Staaten verantworten rund 75% der weltweiten Rüstungsexporte – ein Bruchteil würde ausreichen, um die Armut auf der Welt zu beseitigen.
Das neoliberale Wirtschaftssystem produziert immer häufigere Armutskonflikte, die «befriedet» werden sollen, um dessen Stabilität zu garantieren.
Eine Runderneuerung der NATO liegt bereits auf dem Tisch. Im Januar 2008 veröffentlichten fünf ehemalige hochrangige NATO-Generäle eine Studie, unter ihnen der Ex-Chef des NATO-Militärausschusses Klaus Naumann: «Womit sich die westlichen Verbündeten konfrontiert sehen, ist eine lang anhaltende, pro-aktive Verteidigung ihrer Gesellschaften und ihrer Lebensart. Hierfür müssen sie die Risiken auf Distanz halten und gleichzeitig ihr Heimatland beschützen.»
Aus Sicht der NATO-Staaten ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, immer häufiger zur «Befriedung» entstehender Konflikte auf militärische Gewalt zurückzugreifen.
Somalia: Anstatt die Ursachen der Schiffspiraterie anzugehen, entsendet die NATO jüngst Kriegsschiffe in die Region, um das Problem wortwörtlich zu bekämpfen.
In Afghanistan wird mit der Besatzung und einer Zivil-militärischen Aufstandsbekämpfung eine dramatische Eskalationsspirale in Gang gesetzt. Die ursprünglich 5.000 Besatzungstruppen sind mittlerweile auf 50.700 angewachsen. Die von der Bundesregierung zuarbeitende Stiftung Wissenschaft und Politik stellt fest: «In ganz Afghanistan hat sich die ISAF-Mission seit 2006 von einer reinen Stabilisierungsoperation zu einem Einsatz mit dem Schwerpunkt Aufstandsbekämpfung entwickelt.» Zentrale Idee ist die «Zivilmilitärische Zusammenarbeit». Deutschland, aus einer Studie des Auswärtigen Amtes: «Es sollte generell erwogen werden, das Personal der mit Auslandseinsätzen befassten zivilen Ministerien für die Dauer des Einsatzes in die Strukturen des Verteidigungsministeriums einzugliedern.»
Daniel Fried, Staatssekretär für Europäische und Eurasische Angelegenheiten im amerikanischen Außenministerium: « … Mit jedem Monat lernen wir mehr darüber, was im 21. Jahrhundert für eine Aufstandsbekämpfung erforderlich ist.»
Im April 2005 unterzeichnete die Bundesregierung ein bilaterales Investitionsabkommen mit Afghanistan. Es beinhaltet u.a. Zollreduzierungen, den 100%igen Firmenbesitz von Ausländern, einen weitreichenden Schutz vor Enteignungen, Steuerbefreiung in den ersten acht Jahren und 100%igen Gewinntransfer ins Ausland. Afghanistan wird als eine der offensten Volkswirtschaften bezeichnet. Zu den großen ausländischen Investoren zählen u.a. Siemens, British Petroleum, Alcatel, Coca-Cola, DHL.
Ein Konsens innerhalb der NATO bildet sich heraus. Kurt Grillo, Leiter des BDI-Ausschusses «Rohstoffpolitik»: «Herzlich Willkommen zu Beginn des Zweiten Kalten Krieges, dem Kampf um Rohstoffe»
Jürgen Wagner`s Vortrag wird zunächst einen kurzen Überblick über die Entwicklung der NATO geben. Am Beispiel Afghanistans werden die zunehmenden Einsätze zur Aufstandsbekämpfung thematisiert, aber auch die Rolle des Nato-Bündnisses in Bezug der sich verschärfenden Konflikte mit Russland (und China). Abschließend wird eine Einschätzung der künftigen Rolle der NATO – gerade nach den Wahlen in den USA – gegeben und auf die anstehenden Proteste gegen das NATO-Bündnistreffen im April 2009 eingegangen.
Veranstalter sind:
DGB Ortsverband Fellbach, DGB-Ortskartell Schorndorf, Offene Kirche, Forum für Politik und Attac Regionalgruppe Schorndorf
Vorschau: Donnerstag 12.03.: «Schild und Schwert: Aggressive Atompolitik und Raketenabwehr der NATO», Referent Arno Neuber/IMI