Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,
in den letzten knapp zwei Jahren ist man als Alltagsmensch zur Expertin für allerlei Spezialthemen geworden, für R-Werte und mRNA-Technik, für PCR-Tests und Spike-Proteine. Hier in der Manufaktur wissen wir obendrein mehr denn je über Be- und Entlüftungstechnik! Früher haben Clubs mit ihren massiven und präzisen Beschallungsanlagen angegeben – heute protzt man mit der Ventilation! Wenn jemand Lust hat, über die Bedingungen für gute CO2-Werte bei vollbesetzten Läden abzunerden (und unsere CO2-Werte im Konzertsaal sind den neuen Messungen zufolge spektakulär gut, auch wenn viel los ist), dann sind wir dafür immer zu haben!
Ansonsten wollen wir uns an dieser Stelle – rückblickend, ausblickend – etwas tun, was wir bisher nicht so oft gemacht haben: Uns bei denjenigen bedanken, die über Manufaktur-Veranstaltungen berichten, ob nun hymnisch und mäkelnd: In den Zeitungen, anderswo im Netz, gelegentlich auch im Radio. Und auch bei denjenigen, vorsichtigerweise, die solche Rezensionen in Auftrag geben, gerade hier in der Gegend… Das ist leider weniger selbstverständlich denn je, weil die fortlaufende Krise der Bezahlmedien zu einer starken Ausdünnung der Berichterstattung und des schreiberischen Nachdenkens über Kulturthemen geführt hat. Vielerorts wurde (a) die Kulturberichterstattung geschrumpft oder eingestampft und hat (b) eine Einengung auf vermeintliche Konsensthemen stattgefunden, auf Pop-Mainstream oder klassisches Bildungsgut – mit einer irritierenden Ignoranz gegenüber den produktiven Rändern des kulturellen Geschehens, für die wir ja nicht zuletzt stehen. Wir haben es hier in der Manufaktur eigentlich nicht so mit dem Kulturpessimismus, aber die Lage des Popkultur-Journalismus lässt sich, wenn man die Lage in Deutschland insgesamt anschaut, leider nur als genereller Niedergang beschreiben. «Tatsächlich ist in fast landesweit in allen Regionalzeitungen die Kulturberichterstattung eingestellt», führte der Pop-Feuilletonist Jens Balzer kürzlich in einem Podcast aus, als Resümee einer Lesereise mit seinem Buch über die 80er. Zugleich haben die großen Blätter an der (Pop-)Kulturberichterstattung gespart. Dass zum Beispiel die tageszeitung (taz) ihren Berlin-Kulturteil eingestellt hat, betrifft uns hier im Remstal nicht unmittelbar (obwohl wir gelegentlich ganz gerne verfolgen, was anderswo geschieht), aber es ist doch ein Zeichen der größeren Misere – für die Geringschätzung vieler Chefredakteur*innen und Verleger*innen gegenüber Kulturthemen und Popkultur im Besonderen – von der wir glauben, dass sie tatsächlich ziemlich viele Leute interessiert. Da hat eine ziemliche «Verblöderung» (Tocotronic) eingesetzt. Natürlich gibt es jetzt direkte soziale-Medien-Kommunikation, hier und da nen spannenden Podcast – aber dadurch auch sehr viel mehr depperte PR-Rhetorik und sehr viel weniger Reflexion, Kontextualisierung, Überblick, schöne Texte, wiedererkennbare Kritiker*innenstimmen – all that good stuff halt. Deshalb: Wir freuen uns über die Autor*innen und Journalist*innen, die tolle Texte über Konzerte, Neuveröffentlichungen, Filme, Lesungen, Bücher schreiben – und ermuntern alle, die so etwas gerne lesen, bei den Zeitungen und Zeitschriften und wo auch immer Druck zu machen, auf dass all das nicht nur erhalten bleibe, sondern mal wieder wachsen möge!
Eure
Manufaktur