Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,
die cineastischen Expert*innen sind ja eher skeptisch, ob wir derzeit wirklich bessere Filme zu sehen bekommen als je zuvor, aber eines steht fest: ab November können wir im Kino Kleine Fluchten schöner denn je Filme schauen! Denn Jürgen und das Kino-Team haben renoviert bzw. renovieren lassen. Der Saal hat einen neuen Fußboden und neue Beleuchtung bekommen, er ist frisch gestrichen. Und vor allem: Er ist mit neuen Kinosesseln möbliert, im klassischen Look, die mit größerem Abstand aufgestellt sind, breite Armlehnen haben und ein Premium-Erlebnis-Gefühl versprechen, wie es dem erlesenen Programm entspricht. Juhu!
Ansonsten ist im November auch viel Musik-Programm zu erwarten, bei uns herrscht auch ein gewisser Optimismus für den Konzert-Spätherbst und -Winter vor, und: Es ist schon wieder Wahl. Obrbürgrmeischtr*in. Wir harren der Dinge bzw. Menschen, die da kommen. Und wenn wir von den Pöbeleien in Richtung links (bzw. grün) hören, die manch ein Herr vom Stapel gelassen hat, dann fragen wir uns – nicht unbedingt mit Blick auf Schorndorf, sondern mehr so allgemein: Ob die deutschen Konservativen in absehbarer Zeit wohl auch den Weg in die vollständige Knallköpfigkeit antreten werden, wie das weite Teile ihrer US-amerikanischen, ungarischen, britischen oder polnischen (Ex-)Freund*innen längst getan haben? Oder wie Knastbruder Sarkozy? Was für eine unverschämte Frage und was für eine gemeine Unterstellung!, heißt es dann für gewöhnlich von besonnener Seite: Es gibt doch in der internationalen Welt der christlich-demokratischen Mitterechtsparteien nicht nur populistisch-postfaktisch-nationalfundamentalistisch-rundumkorrupte Hampelmänner und, wie man früher sagte, „Leichtmatrosen“ im Oligarchenauftrag, sondern auch Lichtgestalten wie Sebastian Kurz, die einen modernen, jugendlichen, mediengewandten, idealistischen Konservatismus in bester bürgerlicher Tradition repräsentieren, der auch hierzulande als Vorbild dienen sollte!
Solche Sachen schrieben und sagten die Leute noch vor ein paar Wochen oder Monaten. That went… well. Angesichts all dessen kann man es eigentlich nicht oft genug hervorheben: Wirklich wahnsinnig, dass sich die vermeintliche Mitte an so vielen Orten der Welt als derart unseriös, schmierig, hysterisch und zynisch erweist – vom Rassismus und von der Ignoranz gegenüber der Zerstörung der Lebensgrundlagen gar nicht erst zu reden. Nicht weniger wahnsinnig, wie folgsam die vermeintlichen Hüter*innen des gesunden Menschenverstandes in diesen Traditionsparteien ihren Führungsfiguren hinter her nach rechts watschel(te)n und wie freudig die Parteifinanzierer da mitmach(t)en oder auch vorangingen. Da sollte sich niemand in Sicherheit wiegen, dass solche Leute bei ihren vielbeschworenen menschenfreundlichen Werten bleiben, wenn sie davon Nachteile oder auch nur eine verpasste Gelegenheit erwarten. Wobei: Auch da ließe sich, freilich aus einer anderen Warte, abgeklärt einwenden, dass Unseriösität und Rechtsradikalismus ja mitnichten überraschend oder neu seien. Wer sich ein bisschen in der Geschichte Baden-Württembergs und seiner Konservativen umtut, findet da genügend hökscht fragwürdige Honoratioren. Und, so ließe sich weiter argumentieren, immerhin sind die heutigen Neorechten zu jung, um wie ihre Vorgängergenerationen in Deutschland noch Nazi-Marinerichter oder derartiges gewesen zu sein. Oder auch: Wer brauchte schon einen Pseudo-Thinktank in Schnellroda, der inzwischen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, als man über die gleichen Dinge (die angebliche Selbstverleugnung Deutschlands, das ruinöse 1968, die antiliberalen Gedanken der Konservativen Revolution, die Gefahren des „Kulturmarxismus“ und den ganzen Schmonz, gähn!) in vornehmerem Ambiente unter CDUlern und „neurechten Intellektuellen“ (sic) im Studienzentrum Weikersheim reden konnte und dabei sozusagen unter sich blieb.
Also alles wie gehabt, nichts ist anders geworden, das ganze Mitte-Getue war immer nur Maskerade? Das wäre dann doch auch eine falsche Schlussfolgerung. Der Entzivilisierungsschub in Teilen der ehemaligen rechten Mitte ist real, auch in Deutschland – und er kann zum wirklich üblen Rückschritt werden, wenn es ihm gelingt, sich als neue Normalität zu präsentieren. Da sollten nichtkonservative Zeitgenoss*innen wachsam sein, ohne deshalb die alte Normalität zu idealisieren (denn dass wir lieber etwas andere hätten, ist auch klar). Ob in Schorndorf oder anderswo.
Eure
Manufaktur