«Everything Is Moving So Fast», singt Tony Dekker mit seiner männlichen Samtstimme. Es ist ein musikalischer Seufzer, den er der Welt entgegen haucht. Mit einer Intensität eines schlaffen Händedrucks, bar jeglicher Wut, vielmehr mit einer abgeklärten Haltung der Resignation. Die weltweite Vernetzung, der Schnelligkeitswahn, die unendlichen Möglichkeiten einer Welt, die in ihrer Entgrenzung den Halt zu verlieren scheint – all das ist der größtmögliche Gegensatz zur erdverbundenen Musik der Great Lake Swimmers aus Kanada. Es sind Klänge des Gleichgewichts, mit innerer Balance und ausgeprägtem Bewusstsein für die Herkunft der amerikanischen Countrymusik in alten Scheunen eingespielt. Verhuscht und unaufdringlich in ihrer Gestalt, bedächtig und überlegt, als ob ihr Amerikana-Entwurf gerade eine Lektion in Sachen Zen-Buddhismus nimmt. Das geht nun schon seit vier Alben so. Und irgendwie mag man den Hörern da draußen keinen Vorwurf machen, dass dieser kanadische Fünfer noch nicht so recht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die er verdient. Denn in ihrer Unaufdringlichkeit und Gleichförmigkeit sind es wohl Momente der Ruhe, in denen die Platten ihre Wirksamkeit erst in Reinform unter Beweis stellen kann. Mit einem guten Glas Rotwein und romantischer Grundstimmung ist man gut beraten, ansonsten wird man dem hochqualitativen Schaffen der Great Lake Swimmers nicht gerecht. Das Prädikat «nett» wird wohl nach einem flüchtigen Hereinlauschen im Internet nicht zum Kauf gereichen. Dabei haben die Songs eigentlich alles, was das Folkherz nach den Großtaten von Iron & Wine, Lambchop oder Sufjan Stevens begehrt: Sie sind zugänglich, fast lieblich inszeniert und authentisch bis zum letzten Anschlag der Steelguitar. Waren die Vorgänger in ihrem Duktus absolute Leisetreter, so ist das im Grundsatz auch auf «Lost Channels» nicht anders, auch wenn der diskographie-interne Vergleich eine Sonderausstattung nahelegt. Noch nie waren so viele Streicher zu hören, noch nie klang der Klang so voll und raumgreifend. Die sanftmütige Stimme Tony Dekkers ebnet sich dabei den Weg durch die spärlichen Rinnsale dieser Klanglandschaften und findet endlich Halt in der Stille. «New Light» ist vielleicht der klassischste aller Great Lake Swimmers-Songs. Auch wenn man bei all der getragenen Besinnlichkeit kaum von wirklichem Schwung sprechen kann, atmen die Kanadier im Vergleich zu den ebenfalls unglaublich stimmungsdichten Vorgängern auf. Fast Uptempo gerät die Single «Pulling On A Line«, die spätestens im Refrain vollends an die norwegischen Songwritertugenden eines St. Thomas erinnert, und auch sonst gibt es den ein oder anderen Hinhörer, der mehr sein will als nur bester Freund mit Klampfe. «She Comes To Me In Dreams» holt sogar demonstrativ die Pauke raus. Durch den vermehrt variablen Einsatz von Instrumenten gewinnen die Songs auf einer sehr eigenen Ebene an Ausdruckskraft, ohne ihren entspannten Rhythmus zu verlieren, der schon zum Markenzeichen der Band geworden ist. Denn bei aller textlichen Schwermut und der Ausweglosigkeit des Seins ist «Lost Channels» nie von einer intensiven oder gar depressiven Stimmung befallen. Zwar umweht die Melancholie das Werk mit strammer Brise, existenzialistisch und beklemmend wird es aber nie. Im Grundton fließen die Songs ineinander, ihre Grenzen verschwinden und allerlei Herzlichkeiten werden mit großem Können dargeboten. Dennoch kann man sich auch beim neuen Great Lake Swimmers-Werk sicher sein, dass die traumwandlerisch sichere Art des Musizierens keinen Platz für große Enttäuschungen bietet. Vielmehr ist auch «Lost Channels» ein Seelenstreichler. Eine Band, die versteht. Dich und die Welt.
www.greatlakeswimmers.com
www.myspace.com/greatlakeswimmers
www.lastfm.de/music/Great+Lake+Swimmers
Eintritt:
8,– Euro VVK plus Gebühr
10,– Euro Abendkasse
8,– Euro Mitglieder