F 2008, 115 Min., von Phlippe Claudel mit Kristin Scott Thomas, Elsa Zylberberg, Serge Hazanavicius, Laurent Grevil, Frédéric Pierrot u.a.
Philippe Claudels Film ist eine Parabel über Menschen, die innerlich und äußerlich gefangen sind. Er ist die Geschichte von Juliette, die aus einem echten Gefängnis entlassen wird, für einen Mord, den sie vor 15 Jahren begangen hat. Juliettes Schwester Léa ermöglicht ihr den behutsamen Start in ein neues Leben und nimmt sie in ihrer Familie auf. Zaghaft gewöhnt sich Juliette an den neuen Alltag, nach und nach verlässt sie das Gefühl der Isolation und des Alleinseins. Mit der ihr entgegengebrachten Geborgenheit durch Familie und Freunde kann sie sich zum ersten Mal ihren traumatischen Erlebnissen stellen und den Versuch wagen, ein neues Leben zu beginnen.
Philippe Claudels Figuren sind ein Ensemble der Einsamen und Suchenden. Glück und Zufriedenheit ist hier nur den Kindern oder dem Familienvater überlassen, der nach einem Schlaganfall zwar nicht mehr sprechen kann, aber in seiner Hausbibliothek und beim gemeinsamen Abendbrot vollkommene Zufriedenheit ausstrahlt. Darüber hinaus verhandelt der Film wichtige Werte wie Freiheit und Zusammenhalt, die hier stets korrespondieren. Ihrem neuen Leben ist Juliette nach 15 Jahren im Gefängnis kaum gewachsen, doch scheinbar sind es die meisten Menschen die sie in der Freiheit trifft, auch nicht.
Phlippe Claudels Lösung für die emotionale Isolation seiner Figuren sind die Familie und Freundschaften, die hier mit den Mitteln bissiger Ironie gepflegt werden. Wie ein wahrer Seelenbalsam wirkt seine klischeefreie Inszenierung der groß angelegten sonntäglichen Treffen der Mütter und Väter mit Freunden und Bekannten, bei der das Landhaus im Grünen zum Wohlfühl-Mikrokosmos wird.
«So viele Jahre liebe ich dich», der auf der vergangenen Berlinale den Publikumspreis sowie den Preis der Ökumenischen Jury gewann, ist aber nicht nur eine emotionale Abhandlung über die Neuentdeckung verloren geglaubter Gefühle, sondern auch eine Paraderolle für Kristin Scott Thomas. Sie war bislang eher auf wunderbar glamouröse und stilvolle Rollen gebucht. Hier kann man ihre bemerkenswerte Verwandlung beobachten, wenn sie zu Beginn des Films noch blass und kühl das Leben eher als ein Aushalten begreift und später zu wohltemperierter Lebensfreude übergeht, die schließlich einen fast zufriedenen Menschen zeigt, der beweist, dass man die Wunden der Vergangenheit hinter sich lassen kann.