Zum Geleit

April 2025

Liebe Freud*innen der Manufaktur,

Neulich eher zufällig die LADO-Kompilation „Billiger als Turnschuhe“ aus dem Regal gezogen. Turnschuhe? Lange nicht mehr gehört. Das Wort und die Platte. Darauf ein Song der großartigen HUAH! mit dem Titel „Der Krieg-Song“: „Vor dem Krieg hatte ich einen Vater / Vor dem Krieg hatte ich eine Mutter / Vor dem Krieg hatte ich sogar Kinder / Man muss sich ganz schön einschränken, wenn der Krieg ist!“ Aufgenommen wurde der Song 1991/92. „Seitdem der Krieg ist / Wohne ich im Keller / Im Keller mach ich Musik / Und krieg gar nichts mit / Eigentlich bin ich ja auch gegen Krieg / Aber die da oben machen ja doch, was sie wollen.“ 1991/92. Das waren die Baseballschlägerjahre mit Hoyerswerda, Mölln und Rostock-Lichtenhagen, aber „Krieg“? Ganz schön hoch gegriffen, aber gleichzeitig immer durch eine Prise Ironie abgefedert. Irgendwie der Sound der 1980er Jahre. Man denke nur an Die Zimmermänner: „Meine Freundin ist in der Friedensbewegung /Und ich bin bei der Bundeswehr / Immer gibt es eine aggressive Regung / Wenn ich wieder erzähle vom Heer!“ Lustig, nicht wahr? Dieses Augenzwinkern, dieser Distinktionsgewinn durch Ironie, der dazu taugt, reale und durchaus komplexe Problemlagen und Widersprüche kurzerhand wegzuzwinkern. Ein paar Jahrzehnte konnte man damit ganz gut fahren. Der Mauerfall? Zonen-Gabis erste Banane! Die Manson-Morde? Tarantino? An Harald Schmidt hätte man ich Echtzeit erleben können, wie Ironie auf Dauer gestellt, in bräsige Arschlochhaftigkeit umschlägt. In ihrem Buch „Plattenspieler“ hatten die unverdächtigen Autoren Frank Witzel, Klaus Walter und Thomas Meinecke auf die Gefahr einer Durchironisierung der Gesellschaft für die Popkultur hingewiesen: „Wenn alles Camp ist, ist Camp nicht mehr da.“ Doch leider ist dieser ironische Blick aufs Weltgeschehen nicht so einfach aus dem Körper zu exorzieren, zumal es ja auch immer wieder so schön Distinktionsgewinn verspricht, wenn man mitbekommt, dass Tino Chrupalla sich im Interview mit Kindern zwar für die deutsche Kultur stark macht, ihm aber auf Rückfrage kein einziges Gedicht einfällt. Und dann vielleicht doch noch Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“. Wobei: bei Zeile 3 hätte er da schon passen müssen. Lustig, nicht? Wenn Alice Weidel dagegen das Blaue vom Himmel herunterlügt, Begriffe und Definitionen nach Belieben verschiebt und auf Nachfragen nicht Antworten, sondern die immergleichen Wort- und Satzhülsen abfeuert, fällt Ironie schon schwerer. Und findet ja auch nicht statt. Schwieriger wird’s noch, wenn man den Bildern aus dem Oval Office konfrontiert wird, wo jemand mäandernd rumlabert, er sei nicht nur „really smart“, habe nicht nur „the best words“ und überhaupt ein Gespür für „deals“, die wiederum sich der „cards“ bemessen, über die er verfüge und jemand anderes eben. Der Mann redet derart stumpfsinnig daher, faselt von Grönland, von Kanada, vom Panama Kanal, von Lesetho als einem Land, von dem nie jemand gehört habe. Und dann freut man sich, wenn als comic relief dann irgendwann das Meme kommt, in dem Selenskyj Trump einfach eine so richtig reinkachelt. Was der rationalen Ohnmacht etwas Entertainment beimengt. Was den Umgang mit der aktuellen US-Administration angeht, rät Alexander Estis in der „Zeit“ folgendes: „Dass dem larifarischen Sprachrauschen der Stoffelherrscher mit gewaltloser argumentativer Erwiderung, also mit dem „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“, kaum beizukommen ist, ergibt sich schon aus der sogenannten Nonsens-Asymmetrie, beschrieben durch Brandolinis Gesetz: „Das Widerlegen von Schwachsinn erfordert eine Größenordnung mehr Energie als dessen Produktion.“ Dies erklärt den strategischen Vorteil, den selbst die minderbemittelten Erzeuger des Chaos seit jeher gegenüber noch den weisesten Ordnungsstiftern besitzen. Als einzige performativ triftige Widerlegung fataler Idiotien im aufmerksamkeitsökonomisch strukturierten Informationskrieg erweist sich das bloßstellende Auslachen.“ Okay. Was aber, wenn die traditionellen Hierarchien, die entlang der Linie Vernunft-Unvernunft laufen, nicht mehr valid sind? Trump, Musk und J.D. Vance sind längst Figuren der Pop-Kultur. Was, wenn Trump gewissermaßen als böser Clown, als fieser Dadaist agiert, der seine Provokationen raushaut und genießt, was passiert. Der vor Jahren schon mal gesagt hat: „I like chaos. It really is good.“ Vielleicht ist es aktuell ratsam mit Axel Hacke für etwas Distanz zu plädieren: „Man konnte den Blick nicht wenden von dieser Inszenierung neulich im Ovalbüro, manche Leute schauten es sich immer wieder an. Warum? Weil sie nach einem Sinn suchten. Aber es gibt keinen Sinn, nicht in diesem Theater, es gibt nur die Idiotie. Und Idiotenherrschaft heißt: Wir sind alle Idioten, solange wir zusehen.“ Wer jetzt spontan fragt: Wie soll das gehen?“, dem sei ein Hinweis auf unser April-Programm angeraten. Abschalten kann hilfreich sein. Manchmal. Eine Zeit lang.

Eure

Manufaktur

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