Liebe Freund*innen der Manufaktur,
Herrschaften, allmählich wird’s wirklich fad, oder? Seit mehr als ewigen Zeiten wurden wir auf allen Kanälen mit dem Datum und der globalen wie historischen Bedeutung der US-Wahlen belämmert. Alles längst entschieden hieß es noch im Sommer, obschon Sleepy Joe Biden da schon erhebliche Probleme mit der mündlichen Darreichung komplexerer Zusammenhänge hatte. Als es mit ihm wirklich zu slow, zu bunt wurde, wurde die bis dato unscheinbare Vizepräsidentin Kamala Harris eingewechselt – und plötzlich brach 2024 spät zum zweiten Mal ein Frühling aus. Was für ein Aufbruch! Welch eine Hoffnung, es würde ausnahmsweise nicht immer alles schlimmer! Aber je näher der Wahltag rückte, desto lauer wehten die Winde des Weiter-So. Schließlich wurde aus dem prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen ein fulminanter Kantersieg Trumps. Sogar so eindeutig fiel der Wahlsieg aus, dass Trump quasi ab demnächst durchregieren kann. Was dann folgte, war selbst für die Düsseldorfer Avantgarde-Gruppe Der Plan überraschend, die bereits 1980 Donald Trump mit einer Hit-Single bedacht hatten. Damals hieß es: „Gefährliche Clowns steh’n am Straßenrand / Gefährliche Clowns steh’n am Straßenrand / Sie haben ein paar Waren für Kurt Martin in der Hand / Achtung Kurt Martin, die Macht greift ganz sacht hin! / Achtung Kurt Martin, die Macht greift ganz sacht hin!“ Die Sache mit dem Clown glaubt man sofort, aber seine Gefährlichkeit zeigte der Clown sogleich, als er in den ersten Wochen nach der Wahl, aber lange vor der offiziellen Inauguration Ende Januar sein Kabinett bastelte: ein großes bisschen Horrorshow mit lauter seltsamen Extremisten, die ab Januar ausziehen, der Welt das Fürchten zu lehren. Vielleicht um den Schock über den Ausgang der US-Wahl etwas abzumildern und die Aufmerksamkeitsökonomie der Deutschen etwas ab- und umzulenken, beschloss die Ampel-Regierung überraschend selbstlos ihren Selbstmord. Nochmal Der Plan: „Da vorne steht ne Ampel / Komm schnell, sie leuchtet rot. / Alle Leute warten, doch wir, doch wir, doch wir
doch wir, sind schon längst fort.“ Inszeniert nach alter Väter Sitte als Intrige und Verrat. Mit den Worten „Ich will nicht mehr dein Kumpel sein!“ expedierte der Kanzler Scholz seinen Finanzminister Lindner auf den freien Arbeitsmarkt. Anders formuliert: Die Nacht war kurz, das Ereignis ist groß, doch Zeit zum Nachdenken bleibt wenig, weil es weitergehen muss und auch sofort weitergeht. Dem Müssen folgt ein Wollen und dem Wollen ein Können. Wobei „Können“ durchaus ausdifferenziert ins Spiel kommt. Während der selbst erklärt »coole« Kanzler Scholz einerseits die Regierung kippt, andererseits aber mit größter Selbstverständlichkeit sogleich wieder als Kanzlerkandidat agiert, verzichtet FDP-Lindner auf eine Kanzlerkandidatur und hofft auf eine Weiterbeschäftigung als Finanzminister der nächsten Bundesregierung. Doch noch ist Vor-Merz, weshalb auch Ex-Vizekanzler Habeck sich zu den Klängen von Herbert Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ als Germanys Next Top-Kanzler denkt. Cool, aber leider chancenlos. Während Verkehrsminister Wissing seine Notizen aus dem Ethik-Leistungskurs entdeckt und zum Super-Minister einer Schattentruppe aufsteigt, widmet sich Justizminister Buschmann seinem Hobby und stellt Elektro-Schmock mit dem Titel „Gehen, um zu stehen“ online. Etwas schmutzige Wäsche, etwas Geschacher, aber letztlich geht alles so weiter wie bisher. Wären da nicht die ganzen großen und kleinen Gesetzesvorhaben, die jetzt (wahrscheinlich vergeblich) darauf warten müssen, dass die nächste Regierung sich ihrer annimmt, sofern sie deren Relevanz teilt. Was ja leider nicht ausgemacht ist. Ein windiger Tübinger Medienwissenschaftler mit Precht-Gedächtnisfrisur wittert derweil das Böse in „X“ und verlangt von Schulen Nachhilfe in „Medienkompetenz“. Noch-Ministerpräsident Kretschmann kann das durchaus nachvollziehen und könnte sich vorstellen im Gegenzug die zweite Fremdsprache im Gymnasium zu streichen. Für Kretschmann bedeutet das letztlich nur: Schwäbisch und Hochdeutsch, das passt schon. Zweite Fremdsprache wäre wohl Englisch gewesen. Das kann das Telefon übernehmen, falls sich mal ein Gast aus dem Ausland sich ins Schwäbische verirrt. Wir aber ziehen die Wiener Neigungsgruppe Sex Gewalt und Gute Laune aus dem Regal und hören zur Feier des Jahres 2024 die Cover-Version: “G‘fickt für immer!“ Und hoffen auf ein paar Konzerte in der Zukunft, die uns schmerzhaft mit einer Realität konfrontieren, die nicht in Podcasts und Talkshows weggeplaudert wird. Demnächst dann also Wahl ohne Wahl: „It’s cool, man!“
Eure
Manufaktur
Hier geht es kostenlos zu den im Text erwähnten Songs: