Liebe Freund*innen der Manufaktur
Wir wünschen einen wunderbaren Februar!
Falls ihr es nicht wisst: Unser und euer aller Laden hat am 10. Februar seinen 55. Geburtstag! Was wir… diesmal nicht wirklich feiern werden, denn 55 sind zwar irgendwie rund, aber auch nicht so richtig. Trotzdem: Kinder, wie die Zeit ver… usw. usf. Okay, wir tun jetzt nicht so, als ob von den heutigen Manu-Aktiven allzu viele von Anfang an dabei gewesen wären. Gelegentlich gibt’s ja doch so etwas wie Generationenwechsel, sogar bei uns.
Die Manufaktur braucht die vermeintliche Würde des Alters eigentlich nicht. Wenn wir dir gerade erst begegnet sind und den Eindruck machen, total in der Gegenwart zu stehen und am Puls der Zeit zu sein, ist uns das besonders recht! (Das wäre ein Eindruck, der für ein 55jähriges Forum für Politik und Kultur etwas realistischer sein mag als für eine 55jährige Person, aber vielleicht auch nicht immer gaaaanz realistisch).
Aber bei so einer Gelegenheit wird einem doch mal wieder klar, aus wie vielen tollen Leuten so ein Laden eigentlich besteht, und das über solch lange Zeit hinweg: wer alles dazu beigetragen hat und beiträgt, dass wir sind, wer und wie wir sind – von Kino über Kneipe und Kurse und Forum Politik und Konzerte und Ausstellungen und so weiter und so fort, sicher waren und sind es hunderte Aktive, tausende Mitglieder, zigtausende Gäste. Von den Künstler*innen gar nicht erst zu reden. Also: Im Namen von Vorstand und Büro Much Love in alle Richtungen, an die bekannten und unbekannten Held*innen der Manufaktur-Geschichte und -Gegenwart!
Dass 2023 wieder ein Kriegsjahr werden wird, bleibt uns schmerzhaft bewusst. Die Welt wartet sicher nicht auf eine Stellungnahme der Schorndorfer Manufaktur, wir haben auch keine parat. Unter den Mitgliedern und Aktiven der Manufaktur gibt es hier und da auch unterschiedliche Einschätzungen, wie das in vielen Konflikten so ist. Eines werden wir jedenfalls nicht tun: hier nach einer letztgültigen „linken Position“ suchen. Warum nicht, wir schrecken doch auch sonst nicht generell vor Überheblichkeiten zurück? Tatsächlich haben viele uns nahestehende Leute im letzten Jahr nach dezidiert linken Positionen gesucht, die adäquat auf den russischen Angriffskrieg, den Raketenterror und die Zerstörung ganzer Landstriche reagieren – und auf die Frage, ob auch Linke sich in der aktuellen Situation für Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine engagieren sollten. Zwischen der Linkspartei und den Grünen z.B. verlaufen hier tiefere Gräben als je, aber auch innerhalb politischer Gruppen und Kreise. Wir sind davon abgekommen, hier nach in sich schlüssigen linken Positionen zu suchen. Kaum etwas, was darunter diskutiert wird, ist uns wirklich plausibel – schon gar nicht das Geraune, dass das ja „eigentlich“ nur ein Krieg der NATO sei, gegen die sich das vom Westen unterdrückte, antiimperialstische Russland wehren müsse. Diejenigen, die die NATO (gewiss kein Sympathieträger) als einzigen tatsächlichen Akteur im Weltgeschehen sehen und faschistoide Regime als Alliierte für ihren hängengebliebenen Antiimperialismus, haben sich inzwischen zu derart unsinnigen Positionen verstiegen, dass die offensichtliche Nachbarschaft zu Positionen der radikalen Rechten, der illiberalen Souveränist*innen (von Ungarn bis Mar-a-Lago), der Verschwörungsschwurbler und vereinzelter Hannoveraner Milieu-Größen kein Zufall mehr ist. Um linke Politik, um emanzipatorische Zukunftsentwürfe – darum geht es weder in diesem Krieg noch, so würden wir inzwischen sagen, in solchen vermeintlich abgeklärten Bescheidwisser-Diagnosen. Gelegentlich werden auf der Suche nach linken Positionen ja Analogien zum Ersten Weltkrieg hergestellt – als sich viele Sozialdemokrat*innen als patriotische Kriegsunterstützer*innen entpuppten und linke Abweichler*innen kluge anti-nationale, anti-militaristische Positionen fanden. Sollten wir uns heute nicht auch so positionieren, wäre das nicht „links“, und würde für hinreichend Abstand zu Militärfanatiker*innen (oder den Leuten, die z.B. den Irakkrieg verbrochen haben) sorgen? Das Problem solcher Bezugnahmen scheint uns zu sein, dass man damals aus guten Gründen hoffen konnte, dass emanzipatorische Bewegungen „von unten“ der Kriegslogik imperialer Staaten etwas entgegensetzen könnten – eine Umwälzung der kapitalistischen Normalität. Das ist heute nicht der Fall. Angesichts der Abwesenheit sozialer und politischer Kräfte, die emanzipatorische Zukunftsentwürfe umsetzen würden, scheint uns der Ruf nach einer linken Position zum Krieg inzwischen eher zu Selbstbespiegelung zu führen. In der Ukraine geht es derzeit (und wohl auf absehbare Zeit) nicht um emanzipatorische Politik, sondern ums blanke Überleben und um die basalen Rechte von Selbstbestimmung, wie limitiert die im real existierenden Kapitalismus auch sein mögen. Das ist nicht im engeren Sinne links, aber doch… wichtig und nicht wegzudiskutieren.
Eure
Manufaktur