Zum Geleit

Oktober 2022

Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,

wenn Otto und Karen mal wieder nicht zum Kindergeburtstag eingeladen wurden und die Reggae-Cover-Band von der Marion ihrem Neffen nicht in der Schleyer-Halle auftreten darf, weil das halt keine Sau interessiert, dann heißt es dieser Tage ja schnell, die „Cancel-Culture“ habe zugeschlagen. Im Ernst: Es ist keine ganz dumme, aber doch eine perfide Strategie der Rechten, linke Kritik an Rassismus oder Sexismus so darzustellen, als gehe es bei ihr darum, den „ganz normalen Leute“ die Freiheit, den Arbeitsplatz und das Männer-WC nehmen zu wollen. Ob Linke sich hier und da tatsächlich so blöd anstellen mögen, dass ein solcher Eindruck entstehen kann – je nun. Von quasi-jakobinischem Terror betroffen sind hierzulande jedenfalls nicht allzu viele Leute. Bei dem ganzen Gerede von den angeblichen woken Horden geht schnell unter, welche Geschichte die politische Diskriminierung in der Bundesrepublik tatsächlich hat und wer ihr tatsächlich zum Opfer fällt, zum Beispiel mit Blick auf den sogenannten Radikalenerlass, der sich in allererster Linie gegen die politische Linke richtete. Das ist heute vielfach in Vergessenheit geraten – Abhilfe gegen solches Vergessen schaffen die Ausstellung, die diesen Monat für zwei Wochen in der Manufaktur zu sehen sein wird, und die Gesprächsrunde und Film-Vorführung, die diese begleiten.

Bleiben wir beim Politischen: Besonders wichtig ist uns die Veranstaltung mit Stefan Dietl am 26. Oktober: „Zieht euch warm an!“ Es wird um aktuelle Sozialproteste angesichts der rapide steigenden Lebenshaltungskosten gehen. Mit der Inflation und halbgaren Entlastungspaketen werden die Wohlstandsverluste vor allem auf die Lohnabhängigen und jetzt schon Unterprivilegierten abgewälzt. Die Welt ist unübersichtlich: Wer gegen diesen Klassenkampf von oben protestiert, steht heute schnell im Verdacht, mit Querfront-Spinnern gemeinsame Sache zu machen. Tatsächlich hat man da oft das praktische Problem, sich von opportunistischen Nazis und ein paar Verwirrten abgrenzen zu müssen. Aber das ist kein Grund, aufs Protestieren zu verzichten, oder den Protest pauschal zu diskreditieren!

Einen mit der Ukraine solidarischen und trotzdem heißen Herbst wünscht

Eure

Manufaktur

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