Zum Geleit

März 2022

Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,

der Manufaktur-März hat in allen Sparten etwas zu bieten, er steht aber vor allem im Zeichen der Internationalen Wochen gegen Rassismus (das sind zwei Wochen – die letzten beiden des Monats). In zwei Veranstaltungen, einem Film und einer Ausstellung wird es um den rechten Terror des sogenannten NSU und um das Andenken an die Menschen, die ihm zum Opfer gefallen sind, gehen. Mehr dazu im Heft.

Dass rund um den NSU-Terror vieles unaufgeklärt geblieben ist, gerade was die Rolle der Behörden und Geheimdienste angeht, das kann ja mittlerweile fast schon als bekannt vorausgesetzt werden. Anders gesagt: es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass die Aufklärung vieler Zusammenhänge von bzw. in staatlichen Institutionen aktiv verhindert worden ist. Was man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen sollte. Oder auch, dass es die längste Zeit über als normal galt, dass ein verschwörungsraunender, deutschnationaler Ausländerrechts-Hardliner und Rechtsintellektuellendarsteller wie HGM den Verfassungsschutz leitete. Der hat ja nicht erst vor kurzem seinen inneren Höcke gefunden, der ist sich immer treu geblieben, wie es so schön heißt. Es ist eben nicht so, als ob das rechte Problem aus ein paar verwirrten, von der Wende verprellten Ost-Jugendlichen bestünde. Das reicht offensichtlich sehr viel tiefer und in die Mitte der Gesellschaft hinein.

Vor dem Hintergrund der Erinnerung an die NSU-Opfer sind wir besonders fassungslos, wenn wir auf die vermeintlichen Querdenker hierzulande schauen. Nicht nur sind sich ausgesprochen viele von ihnen weiterhin nicht zu schade, mit den Faschisten gemeinsam zu demonstrieren. Nein, sie bringen obendrein, wenn sie das zu rechtfertigen versuchen, immer wieder Gleichsetzungen vor, die uns schlicht die Sprache verschlagen – ob das nun mit Pseudo-„Judenstern“ für Ungeimpfte und Anne-Frank-Identifikation einhergeht, wie in den medial skandalisierten Fällen, oder nicht. Was haben wir da nicht alles gehört und gelesen: Man marschiere notgedrungen mit den Rechten, denn die seien in diesem Fall ja „auch für die Grundrechte“, und überhaupt seien die wahren Verfassungsfeinde heute doch diejenigen, die Impfzertifikate verlangen, die Rechten seien jetzt auch für die Freiheit, die Antifaschist:innen dagegen die wahren Nazis, der heutige Faschismus sei der Impfzwangs usw. usf. Solches Gelaber ist auf den ersten Blick halt ein bisschen doof und ein weiteres Belegstück der wohldokumentierten Fähigkeit des menschlichen Geistes, absurdes Zeug zu behaupten. Die ganze Perfidie wird aber erst vor dem Hintergrund der Realität der rechten Gewalt und ihres langjährigen behördlichen Schutzschirms so richtig deutlich. Und nein, wir sind nicht der Meinung, dass alle, die irgendwelche Corona-Maßnahmen daneben finden, deshalb rechtsradikal und heimliche NSU-Fans wären. Das offensichtlich nicht. Aber wer so daherredet, oder sich damit gemein macht, verdient mindestens Widerspruch und auch die Kränkung, diesen Quatsch argumentativ um die Ohren gehauen zu bekommen, ohne allzu viel Rücksicht auf verletzte Querdenker-Gefühle. Und wir wollen bei der Gelegenheit, wenn wir uns schon in Rage geschrieben haben, auch noch einmal festhalten, dass der sozialdarwinistische Gedanke, dass die Gesellschaft nichts dagegen tun sollte, dass die Natur eben aussiebt, wer lebensfähig ist und wer nicht, per se rechts ist und das universalistisch-egalitäre Erbe der Linken verrät. Und wer irre Verschwörungstheorien verbreitet, schadet denen, die dafür kämpfen, reale Machenschaften hinter den Kulissen – wie die rund um den NSU – aufzudecken. Also – nehmen wir die Internationalen Wochen gegen Rassismus doch auch zum Anlass für ein bisschen weniger vom ganz normalen Wahnsinn unserer Tage.

Eure

Manufaktur

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