Liebe Freundinnen und Freunde der Manufaktur,
wir wünschen Euch einen sonnigen November! Der Indoor-Oktober lief hier schon mal sehr erfreulich, sowohl vom Programm her, wenn wir das so sagen dürfen, als auch, was die ganze „Lage“ (nein, wir sagen das C-Wort nicht) im Hause angeht – lasst also Privatparties und Familienfeiern sein, die sind eh öde und gefährlich, kommt lieber – am besten mit vorbestelltem Ticket oder einer Reservierung – in die Manufaktur! Wir haben das bessere Hygienekonzept und sind hier alle sehr diszipliniert. Mit Abstand die ausgelassenste Stimmung! Hätten wir vor einem Jahr auch nicht gedacht, dass wir so was mal schreiben und auch noch für eine gute Sache halten würden. Kaum zu glauben, dass uns und der linken Alternativkultur mal pubertär-rebellisches Gehabe nachgesagt wurde.
Wir freuen uns also auf Konzerte (u.a. von den spacigen Vanishing Twin – ihr letztes Album heißt auch noch „The Age of Immunology“), auf Lesungen, auf Filme, und wir freuen uns über Euren solidarisch-verantwortungsvollen Umgang miteinander! So – und hoffentlich mit der notwendigen kulturpolitischen Unterstützung – kommen übrigens auch die Künstler*innen gut und ohne unsinnige Risiken über den Winter.
Besonders wollen wir euch auf den Vortrag von Andrea Röpke über rechte Bewegungen auf dem Land beziehungsweise rechte Siedler und ihre „Landnahme“ hinweisen. Die Versuche von Neonazis, rechten Esoteriker*innen und ähnlichen Weltverschlechterern, in ländlichen Gegenden nicht nur Fuß zu fassen, sondern das soziale, kulturelle und politische Leben zu prägen, sind an einigen Orten inzwischen weit gediehen. Manch ein großstädtischer Linker und Liberaler scheint derweil den sogenannten ländlichen Raum nur zu gerne an die Rechten abzutreten – und die Feuilletons und Populärwissenschaftler*innen überbieten sich mit platten Diagnosen vom neuen Stadt-Land-Gegensatz, in denen gleich ganze Landstriche als dumpf und rechts beschrieben werden. Als geborene Dörfler und Kleinstädter*innen hatten wir zu Marx‘ Formel von der „Idiotie des Landlebens“ immer schon ein gespaltenes Verhältnis: Einerseits kennen wir das ganze Elend (zu dem auch die ländliche Bonzigkeit gehört, die in solchen Diskussionen zu oft unterschlagen wird) nur zu gut aus eigener Anschauung und fanden Selbsthass immer schon eine gesunde Sache – andererseits: Hat der was gegen unsere Mütter (und unsere WG) gesagt!? Es gibt kein ruhiges Hinterland… Von einem Stuttgarter würden wir uns das jedenfalls nicht bieten lassen. Will sagen: Über das Problem der „rechten Landnahme“ kann uns niemand kundiger unterrichten als die Referentin; die neuen und alten Ressentiments zwischen Stadt und Land und die platten Spaltungsanalysen, werden uns auch darüber hinaus sicher noch eine Weile politisch beschäftigt halten. In Sachen linkes Landleben gibt es jedenfalls einige Traditionen, an die sich da anknüpfen lässt (und an die in der Popkultur der letzten Jahre ebenfalls vielfach angeknüpft wird), ohne in öde Großstadtfeindschaft zu verfallen.
Eure
Manufaktur